Sie sind hier

Offener Brief an den Zürcher Stadtrat: Veloförderung nicht auf Kosten des Fussverkehrs

4 Mai 15
Philippe Koch

Immer wieder und zunehmend häufig plant die Stadt Zürich Velomassnahmen auf Kosten der FussgängerInnen. In einer Stadt, die sowohl Velo- wie auch Fussverkehr fördern will – und gemäss Volkswillen auch muss –, geht das nicht.
Die Behindertenkonferenz des Kantons Zürich, der Fussgängerverein Zürich, der Verkehrsclub der Schweiz VCS, umverkehR und Pro Velo Kanton Zürich haben deshalb dem Stadtrat einen offenen Brief zu dieser Thematik geschickt:

Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin, sehr geehrte Stadträtin und Stadträte

Die Stadt Zürich hat es sich im «Programm Stadtverkehr 2025» unter anderem zum Ziel gesetzt, Fuss- und Veloverkehr zu fördern und deren Anteil am Modalsplit zu erhöhen. Dazu ist sie auch durch die vom Stimmvolk im September 2011 angenommene Städteinitiative verpflichtet.
Das sind wichtige und richtige Ziele und in gewissen Bereichen sind auch tatsächlich Fortschritte zu verzeichnen.
Probleme, die Massnahmen umzusetzen und damit die gesteckten Ziele zu erreichen, gibt es insbesondere beim Veloverkehr, wie der Stadtrat im Bericht 2013 richtig erkannt hat.

Probleme gibt es regelmässig auch, wenn tatsächlich Velomassnahmen geplant werden. Immer wieder gehen die geplanten Massnahmen nämlich hauptsächlich oder sogar vollumfänglich zulasten des Fussverkehrs. Einige Beispiele aus den letzten Jahren sollen das illustrieren:
•    Rämistrasse: Nur minimalste Velomassnahmen auf der Strasse, dafür Führung des Veloverkehrs bergauf auf dem Trottoir. Bergab wird das Trottoir zugunsten einer farblichen Gestaltung der Strassenoberfläche (FGSO) verschmälert.
•    Stampfenbachstrasse: Auch hier wurde in der ersten Projektauflage die Veloführung auf Kosten des Fussverkehrs geplant.
•    Pfingstweidstrasse: Neben einer veritablen Autobahn und einem grosszügigen Tramtrassee müssen sich Fussgänger und Velofahrer einen knapp bemessenen Rad-/Gehweg mit hunderten von Bäumen teilen und dabei in Längsrichtung erst noch Dutzende von Randsteinkanten überwinden.
•    Schweighofstrasse: Hier wurden die unterzeichnenden Verbände zur Meinungsäusserung zu einem Vorprojekt für eine provisorische Veloführung eingeladen. Vorgeschlagen wurde eine Führung des Veloverkehrs bergaufwärts auf dem Trottoir respektive ein Rad-/Gehweg zulasten des heute bestehenden Trottoirs.
•    Max Frisch-Platz: Die vorgeschlagene Mischzone bei der Rampe zur Quartierverbindung wird mit Sicherheit zu Konflikten zwischen Zufussgehenden und Velofahrenden führen.

Anzumerken bleibt noch, dass bei allen genannten Planungen weder der öffentliche Verkehr noch der motorisierte Individualverkehr auch nur die geringsten Einschränkungen hinzunehmen hat(te). Insbesondere der MIV kann häufig sogar profitieren, wenn der «störende» Veloverkehr «aus dem Weg geräumt wird».

Der Bundesrat hat am 15. April 2015 beschlossen, dass Motorfahrzeuge wie Stehroller und Rischkas per 1. Juni 2015 den E-Bikes gleichzusetzen sind. Dies bringt weitere Verschlechterungen für Velos und Fussgänger und eine Verschärfung der Problematik. Die bestehenden Velo-Zulassungen auf Trottoirs sind deshalb nicht nur auf Gesetzes-Konformität, sondern auch auf die Sicherheit mit den neuen Elektrofahrzeugen zu überprüfen.

Es gibt jedoch auch ein gutes Beispiel aus den letzten Jahren: Die Lagerstrasse funktioniert im neu gebauten Abschnitt Kasernenstrasse-Kanonengasse hervorragend, es sind kaum Velofahrende auf dem Trottoir anzutreffen und die Velofahrenden fühlen sich sicher und kommen schnell voran. Zu verdanken ist dieser Erfolg jedoch nicht der umsichtigen Planung der Stadt Zürich, sondern wurde erst durch Einsprachen der Verkehrsverbände möglich.

Die unterzeichnenden Verbände fragen sich deshalb, ob der Stadtrat tatsächlich gewillt ist, den vielen schönen Worten bezüglich Förderung des Fuss- und Veloverkehrs auch Taten folgen zu lassen.
Diese Taten sind nämlich dringend nötig, wenn «Stadtverkehr 2025» nicht zur Makulatur werden soll.

Freundliche Grüsse

Fussgängerverein Zürich   
Klaus Zweibrücken, Präsident
http://fussgaengerverein.ch

VCS Zürich
Gabi Petri, Geschäftsführerin
http://www.vcs-zh.ch/

Behindertenkonferenz des Kantons Zürich   
Edith Pausewang, Geschäftsleiterin
http://www.bkz.ch

umverkehR
Philippe Koch, Geschäftsleiter
http://www.umverkehr.ch/de

Pro Velo Kanton Zürich
Res Marti, Präsident
http://www.provelozuerich.ch/